Dieser Artikel ist eine kurze Übersicht über die Bibliothek der Jüdischen Gemeinde der niedersächsischen Stadt Oldenburg. Als Überschrift wurde eine ziemlich einfache, aber gleichzeitig auch komplexe Frage gewählt: Braucht die Jüdische Gemeinde eine Bibliothek? Versuchen wir, diese Frage gemeinsam zu beantworten.
Diese Frage entstand lange vor der Gründung einer solchen Bibliothek und rief lebhafte Diskussionen unter den Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg hervor. Viele unterstützten die Idee einer eigenen Bibliothek, da sie darin eine Notwendigkeit und ein Potenzial zur Bereicherung des kulturellen Lebens sahen. Die Gründerin und langjährige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Oldenburg, Frau Sara-Ruth Schumann (1938–2014), übernahm die Initiative und unterstützte diese wichtige Idee aktiv, um sie in die Tat umzusetzen. Die Grundlage für die Bibliothek bildete die private Büchersammlung von Herrn A. Friedrichsen (1925–2012), dem ehemaligen Geschäftsführer der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Diese Sammlung umfasste mehrere hundert Bücher, die sich hauptsächlich mit jüdischen Themen befassten: religiöse und philosophische Abhandlungen, historische Werke, Bücher über Israel und Schriften jüdischer Autoren. Man kann nur vermuten, warum gerade diese Themen gewählt wurden und warum ein solch wertvolles Geschenk gemacht wurde. In jedem Fall beschleunigte das Vorhandensein eines solchen „Startkapitals“ den Prozess der Bibliotheksgründung erheblich.
Die Bücher wurden lange Zeit im Keller des Gemeindegebäudes aufbewahrt, bis das Vorstandsgremium die ersten 16 Regale bestellte, die im Gebäude der Synagoge montiert und aufgestellt wurden. Gleichzeitig begann Frau Schumann, nach einer Person zu suchen, die die Aufgaben der Bibliotheksverwaltung übernehmen würde. Dies war ein wichtiger Schritt zur Erweiterung und Organisation der Bibliothek, die nun von dem langjährigen und angesehenen Gemeindemitglied Dr. Michael Wassermann aktiv geleitet wird. Nach anfänglichen Bedenken übernahm er die Verantwortung für die Verwaltung der Bibliothek und arbeitet nun seit zwei Jahrzehnten unermüdlich, um die Bücher in perfektem Zustand zu halten und ihren genauen Bestand zu führen. Seine Hingabe und Fürsorge haben der Bibliothek geholfen, nicht nur ein Ort der Bücheraufbewahrung zu sein, sondern auch ein Zentrum des kulturellen Erbes zu werden, das das Leben der gesamten Gemeinde verbindet und bereichert.
Ursprünglich beabsichtigte Frau Schumann, eine ausschließlich religiöse Bibliothek zu schaffen. Doch bald erkannte sie, dass eine so spezialisierte Ausrichtung nicht viele Leser anziehen würde. Seitdem wurde die Bibliothek mit Büchern zu einer Vielzahl von Themen erweitert. Von Anfang an wurde beschlossen, dass die Gemeinde kein Geld für den Erwerb von Büchern für die Bibliothek ausgeben würde, aufgrund begrenzter Mittel und moralischer Überlegungen: Die Leser sollten selbst für die Erweiterung des Buchbestands sorgen! In der Gemeindevollversammlung wurde angekündigt, dass alle, die gelesene Bücher haben, diese der Bibliothek spenden können. Darüber hinaus hat die Bibliothek im Laufe der Jahre eine große Anzahl von Büchern von verstorbenen Gemeindemitgliedern geerbt. Auf diese Weise wurde die Bibliothek fast kontinuierlich mit Büchern versorgt.
Die Bibliothek erhielt Bücher als Geschenk oder Erbschaft nicht nur von Gemeindemitgliedern, sondern auch von völlig unbekannten Personen, unter denen sich bemerkenswerte Persönlichkeiten befanden. Ein Beispiel ist ein Mann, der in einem kleinen Ort in der Nähe von Oldenburg lebte und mehr als fünfzig Bücher über das Judentum schenkte. Er erzählte, dass er ein KZ-Häftling war und nach dem Krieg nach Südafrika zog, wo er als evangelischer Pastor arbeitete. Immer interessiert am Judentum, sammelte er eine umfangreiche Bibliothek zu diesem Thema. Bei seinem Ruhestand kehrte er nach Deutschland zurück und entschied sich, seine Büchersammlung an einen Ort zu geben, wo sie aufbewahrt und ihrem Zweck entsprechend genutzt wird.
Derzeit umfasst die Bibliothek mehr als 5000 Bände zu verschiedensten Themen und in unterschiedlichen Sprachen. Ungefähr die Hälfte der Bücher ist auf Deutsch, etwa 40 % auf Russisch und der Rest auf Hebräisch, Jiddisch, Englisch, Französisch, Polnisch und anderen Sprachen. In den letzten Jahren wurde der Platz für die Unterbringung der Bücher erweitert, neue Regale angeschafft und Platz geschaffen, indem alte Dokumente entfernt wurden. Dies ermöglichte eine beträchtliche Vergrößerung unseres Bestandes und führte zur Bildung und aktiven Entwicklung eines Tauschbestandes.
Eine Besonderheit der Bibliothek ist die beträchtliche Anzahl an Büchern, die von jüdischen Autoren verfasst wurden, besonders in deutscher Sprache. In keiner anderen Bibliothek Oldenburgs finden Sie eine so umfangreiche Auswahl an Büchern über das Judentum, die Geschichte des jüdischen Volkes, den Holocaust, Israel und die Beziehungen zwischen Juden und Deutschen. Die russischsprachige Abteilung der Bibliothek zeichnet sich durch eine große Anzahl von Übersetzungen klassischer Werke der Weltliteratur und populärer Autoren aus verschiedenen Ländern ins Russische aus, die selbst in der russischen Abteilung der Universitätsbibliothek Oldenburg nicht zu finden sind. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass die Sammlung russischer Bücher die größte ihrer Art in den jüdischen Gemeinden Niedersachsens ist. All diese Besonderheiten erhöhen das Interesse der Leser an dieser Bibliothek erheblich.
Leider muss man feststellen, dass die Bibliothek bisher nicht die Popularität unter den Gemeindemitgliedern erreicht hat, die man sich wünschen würde. Derzeit sind in der Bibliothek knapp unter hundert Leser registriert, und ungefähr die Hälfte von ihnen besucht die Bibliothek regelmäßig. Dies wird durch eine Reihe objektiver Faktoren beeinflusst, insbesondere durch die „Konkurrenz“ von elektronischen Informationsmedien. Trotz allem bleibt die Bibliothek ein Raum, in dem sich die Gemeindemitglieder treffen, sich über gelesene Bücher austauschen und Gespräche über verschiedene Themen führen können, einschließlich solcher, die bei einer Tasse Tee oder Kaffee diskutiert werden können.
Die Bibliothek gehört zur religiösen Gemeinde, daher sind Bücher über Religion und die Geschichte des jüdischen Volkes bewusst und nicht zufällig vertreten. Viele dieser Bücher wurden dank der Unterstützung des ZdJ (Zentralrat der Juden in Deutschland) und der ZWST (Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland) erhalten. Die Trennung von Religion und Geschichte ist bei den Juden schwierig, da das Hauptbuch des jüdischen Glaubens, die Tora (oder der Pentateuch), im Wesentlichen die Geschichte des jüdischen Volkes von seinen Anfängen bis zur Besiedlung des Eretz Israel (Land Israel) darstellt. In der Bibliothek gibt es eine beträchtliche Anzahl von Exemplaren der Tora, die in zwei Sprachvarianten (Deutsch und Hebräisch oder Russisch und Hebräisch) veröffentlicht wurden und für Gebetstreffen benötigt werden. Es gibt auch Gebetbücher für alle Lebenslagen: für den Sabbat und die Werktage, für das Neujahrsfest (Rosch ha-Schana), für den Versöhnungstag (Jom Kippur) und für andere Feiertage. Die Bibliothek verfügt auch über eine vollständige Sammlung jüdischer Gesetze (Tanach), einschließlich der Bücher der Propheten (Nevi’im) und der Schriften (Ketuvim). Auch diese sind sowohl auf Deutsch als auch auf Russisch verfügbar.
Im Judentum hat auch der Talmud, der von jüdischen Gesetzeslehrern verfasst wurde, eine große Bedeutung. Er kommentiert, erklärt und ergänzt die jüdischen Gesetze. In der Bibliothek gibt es eine deutschsprachige Ausgabe des vollständigen Babylonischen Talmuds in 12 Bänden sowie eine einbändige, gekürzte Ausgabe mit etwa 700 Seiten auf Deutsch. Leider gibt es keine russischsprachige Ausgabe des Talmuds, jedoch ist der Kitzur Schulchan Aruch vorhanden – eine kurze Darstellung der Talmudgesetze, die es Interessierten ermöglicht, ihr Wissen zu erweitern. Darüber hinaus enthält die Bibliothek zahlreiche Broschüren in beiden Sprachen mit Beschreibungen der Durchführung aller Feiertage, einschließlich der Pessach Haggadah mit Illustrationen der im Judentum verwendeten rituellen Gegenstände. All diese Bücher, etwa 400 Stück, sind im Gebetsraum der Synagoge zugänglich.
In der Bibliothek befindet sich auch eine beträchtliche Anzahl von Büchern, die dem Judentum gewidmet sind. Dazu gehören Werke des bekannten jüdischen Philosophen und Vorsitzenden des ZdJ in der Nachkriegszeit, Martin Buber, einschließlich einer Sammlung seiner Schriften in 6 Bänden, sowie Arbeiten des anderen bekannten Rabbiners Leo Baeck und das dreibändige Werk „Unterweisung im Judentum“ von Walter Gomolka. Alle diese Bücher sind auf Deutsch veröffentlicht. Darüber hinaus umfasst die Bibliothek viele weitere Werke zu diesem Thema. Besonders hervorzuheben sind unter anderem zwei Bände „Das Buch unseres Erbes“ von Eliyahu Ki-Tov, die die Geschichte des jüdischen Volkes in populärer Form darstellen und die wesentlichen Prinzipien, Rituale und Gesetze des Judentums beleuchten. Auch das Buch „Und erzähle deinem Sohn“ von Moshe Schklair ist von Interesse, da es die Geschichte der schriftlichen und mündlichen Tora in einer sehr kinderfreundlichen Form vermittelt. Wichtige Aspekte des jüdischen Volkes, seiner Geschichte und Religion werden in dem Buch „Die jüdische Welt“ von Rabbi Joseph Telushkin behandelt. Dies sind nur einige Beispiele aus dieser reichen Sammlung.
Ein weiteres faszinierendes Thema, das in der Sammlung vertreten ist, sind die Beziehungen zwischen Judentum und Christentum. Interessierte finden in der Bibliothek unter anderem das Buch „Christen und Juden“ von Ulrich Schwerner sowie das gleichnamige Buch von Rolf Rendtorff. Auch das Werk „Von A bis Z: Quellen zu Fragen um Juden und Christen“ von Rudolf Pfisterer und Fritz Maibes ist vorhanden. Auf Russisch ist zudem die vollständige Bibel verfügbar, die beim Studium der Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen Judentum und Christentum hilfreich ist.
Die jüdische Geschichte und die jüdische Religion sind eng miteinander verwoben, insbesondere bis zur Zerstörung des Tempels und der Vertreibung der Juden aus dem Eretz Israel. In der Diaspora kann die direkte Verbindung schwächer werden, verschwindet jedoch nie vollständig. Jeder Zweig des jüdischen Volkes in der Diaspora hat seine eigene Geschichte, die in der historischen Literatur reflektiert wird. Im deutschsprachigen Teil der Bibliothek sind sowohl wissenschaftliche Literatur zur Geschichte als auch historische Belletristik vertreten. Ein bedeutendes Werk ist die „Geschichte der Juden“ von Michael Graetz in 13 Bänden, die die Geschichte des jüdischen Volkes von ihren Anfängen bis zur Gegenwart detailliert darstellt. Obwohl für Graetz „die Gegenwart“ im Jahr 1848 endete, setzte Ismar Elbogen sein Werk fort und schrieb das Buch „Das jüdische Leben im Jahrhundert“ (von 1848 bis 1940). Es ist erwähnenswert, dass das Lesen dieser und anderer Bücher durch die Verwendung der Frakturschrift erschwert werden kann. Dasselbe Thema – die Geschichte des jüdischen Volkes von der biblischen Zeit bis zur Katastrophe – wird von Werner Keller in seinem Buch „Und zerstreut unter allen Völkern…“ behandelt. Darüber hinaus sollte das Buch des berühmten antiken Historikers Flavius Josephus „Geschichte des jüdischen Krieges“ nicht unerwähnt bleiben. Auch das Buch über die Beziehungen der christlichen Kirche zu den Juden: „Rom und die Juden“ von V. Pinchas und E. Lapid ist von Interesse. Mehrere Werke von Martin Buber beschäftigen sich ebenfalls mit der Geschichte des jüdischen Volkes. Erwähnenswert ist auch das Buch „Die Geschichte Jerusalems“ von Ottmar Keel.
In der Bibliothek wird dem Thema „Juden in Deutschland“ große Aufmerksamkeit geschenkt. Zu den bedeutendsten Arbeiten gehören das grundlegende Werk „Monumentale Judaica: 2000 Jahre Geschichte und Kultur der Juden am Rhein“ sowie die Sammlung „Deutsch-jüdische Geschichte der Neuzeit (1600–1945)“. Besonders von Interesse ist das Buch „Geschichte der Juden in Deutschland“ von I. Elbogen und E. Sterling. Natürlich beschränkt sich der historische Aspekt nicht nur auf die Geschichte der Juden. In der Bibliothek finden Sie viele Bücher zur Geschichte Deutschlands. Besonders wertvoll sind die Erinnerungen von Konrad Adenauer in einem vierbändigen Werk, das die Nachkriegsgeschichte Deutschlands (1945-1963) umfasst. Ebenfalls interessant sind die Bücher „Geschichte des Landes Oldenburg“ und „Geschichte der Stadt Oldenburg“.
Biografien historischer Persönlichkeiten nehmen ebenfalls einen bedeutenden Platz in dieser Sammlung ein. Hier finden sich Biografien von berühmten Persönlichkeiten, die von Alexander dem Großen und Nero bis zu Mosche Dayan und Theodor Lessing reichen. Bücher zu historischen Themen, einschließlich historischer Romane, ermöglichen oft eine lebendige Darstellung vergangener Ereignisse, manchmal sogar eindrucksvoller als wissenschaftliche Arbeiten. Zu solchen Werken gehört die historische „Zedek-Trilogie“, geschrieben und der Gemeinde von Frau Christina Metzen-Kabbe geschenkt.
Die russischsprachige Abteilung der Bibliothek ist in Bezug auf historische Literatur deutlich kleiner als die deutschsprachige, bietet jedoch ebenfalls viele interessante Werke. Besonders hervorzuheben sind die Bücher von Flavius Josephus, darunter „Jüdische Altertümer“, „Jüdische Könige“ und „Jüdischer Krieg“, sowie das Werk „Die Geschichte der Juden“ von Paul Johnson. Es gibt auch die Sammlung „Geschichte der Antike“, den klassischen „Kurs der russischen Geschichte“ von W. O. Kliutschewski in 9 Bänden, sowie Sammlungen wie „Geschichte des Bürgerkriegs in der UdSSR“, „Geschichte Russlands“ und vieles mehr. Die Sammlung umfasst auch umfangreiche Memoiren- und Biografieliteratur, einschließlich der Erinnerungen von M. Romm und A. Efros, General A. Ignatjew, dem Künstler Rockwell Kent und anderen bedeutenden Persönlichkeiten. Zudem stehen den Lesern historische Romane zur Verfügung, wie „Ich, Claudius“ von Robert Graves, „Kalkullus“ von Josef Toman, „Dschingis Khan“, „Batu“ und andere Werke von W. Jan, sowie „Tsushima“ von S. Sergejew-Censky und zahlreiche andere spannende Bücher sowie seltene Ausgaben in russischer Sprache.
Die Themen „Holocaust“ und „Zweiter Weltkrieg“ nehmen in der Bibliothek eine wichtige Stellung ein und sind eng miteinander verknüpft. Im deutschsprachigen Teil des Bestandes ist ein erheblicher Teil der Literatur dem Holocaust gewidmet, während im russischsprachigen Bereich der Fokus auf dem Krieg liegt, was verständlich ist. Das Thema der Shoah, oder der Katastrophe des europäischen Judentums, ist in den deutschsprachigen Büchern durch verschiedene Genres vertreten: Dokumentensammlungen, Studien, Memoiren und belletristische Werke. Zu den bedeutenden Ausgaben gehören die „Enzyklopädie des Holocausts“ in drei Bänden, die „Chronik des Holocausts“ und „Die Vernichtung der europäischen Juden“ von Raul Hilberg. Besonders hervorzuheben ist das Buch „Holocaust in Bildern“. Auch für die Leser stehen zahlreiche Bücher über die nationalsozialistischen Konzentrationslager zur Verfügung – Auschwitz, Treblinka, Bergen-Belsen, Theresienstadt und andere. In weiteren Werken werden die Leiden der Juden in den Ghettos detailliert beschrieben, einschließlich des Warschauer, Berliner, Prager (mit Beschreibung und Fotoalbum), Lodzer und anderer Ghettos.
Es ist wichtig, den Bereich „Holocaust und Kinder“ hervorzuheben. Zu diesem Abschnitt der Bibliothek gehören Bücher wie „Kinder in Buchenwald“ und „Die Zwillinge des Dr. Mengele“ von Judith Hemmendinger sowie „Der Kindertransport“ von Barry Turner. Darüber hinaus sollte auch „Das Tagebuch der Anne Frank“ aufgenommen werden, das die Ereignisse der Zeit des Nationalsozialismus dokumentiert.
Einige Autoren behandeln ausführlich die Geschichte der Juden im nationalsozialistischen Deutschland. Zu ihren Werken gehören die Bücher „Die Juden im nationalsozialistischen Deutschland, 1933–1945“ von Arnold Pauker, „Das Dritte Reich und die Juden“ von Saul Friedländer, „Juden unter dem Hakenkreuz“ und „Zwischen Menschenhandel und Endlösung“. Ein wichtiger Teil dieses Abschnitts ist auch das Buch von Rolf Keller „Sowjetische Kriegsgefangene in Deutschland 1941-1942“. Besonders bedeutsam sind die Tagebücher und Erinnerungen von Zeitzeugen sowie literarische Werke, die auf deren Aufzeichnungen basieren. In der Bibliothek finden sich bekannte Werke wie „Das Tagebuch der Anne Frank“ und „Zwei Koffer“ von Karl Friedman. Von besonderem Wert sind die Tagebücher von Victor Klemperer, die den Zeitraum von 1933 bis 1945 abdecken und in zwei umfangreichen Bänden veröffentlicht sind, welche als untrügliche Zeugnisse des Lebens in Deutschland in dieser Zeit gelten. Ebenfalls in diese Kategorie fallen die Erinnerungen von Felicia Novak „Mein Stern“, die Trilogie von Charlotte Deblo „Auschwitz und danach“, „Die Familie Karnowski“ von Isaac B. Singer sowie „Mein Leben als deutscher Jude“ von Nahum Goldmann und andere Werke. Darüber hinaus gibt es in der Bibliothek Bücher über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, obwohl Bücher über den Krieg weitgehend fehlen, abgesehen von Übersetzungen aus anderen Sprachen, wie „Die Krieg hat kein weibliches Gesicht“ von Swetlana Alexijewitsch, der Nobelpreisträgerin, und „Die nackten und die Toten“ von Norman Mailer.
In der russischsprachigen Abteilung der Bibliothek sieht die Situation anders aus: Hier dominiert die Literatur über den Krieg, während Materialien über den Holocaust in geringerem Umfang vertreten sind, was auf die Politik der Sowjetunion zu diesem Thema zurückzuführen ist. Dennoch gibt es einige Bücher, die dem Holocaust gewidmet sind. Besonders erwähnenswert ist die aus dem Polnischen übersetzte Sammlung „Auschwitz“, die verschiedene Aspekte des Lebens und insbesondere das Leid der Gefangenen, überwiegend jüdische aus Europa und sowjetische Kriegsgefangene in den Lagern Auschwitz und Birkenau, dokumentiert. Auch gehören dazu Bücher wie „Frauen von Ravensbrück“ von Erika Buchmann (Übersetzung aus dem Deutschen), „Die Untergrundkämpfer von Buchenwald“ von V. Krasnopero, „Doktor Tod“ von V. Bobrenev und andere. In der Sammlung „Katastrophe und Heldentum des jüdischen Volkes“ wird versucht, die Ursachen der Katastrophe zu ergründen.
Unter den zahlreichen Büchern über den Krieg sind besonders „Leben und Schicksal“ von W. Grossman sowie die Werke von A. Rybakow „Staub und Asche“ und „Schwerer Sand“ hervorzuheben. Auch der Roman von L. Ulitzkaja „Daniel Stein, Übersetzer“ bietet eine andere Perspektive auf den Krieg. Die Ereignisse des Krieges werden in den Büchern von I. Stadnjuk „Krieg“, W. Bogomolow „Der Moment der Wahrheit“, W. Nekrasow „In den Schützengräben von Stalingrad“, J. Bondarew „Die Bataillone bitten um Feuer“ und anderen beschrieben. Zudem umfasst die Bibliothek eine umfangreiche Sammlung von Büchern von direkten Kriegsteilnehmern, die in der Sowjetunion als „Leutnant-Prosa“ bekannt wurden. Trotz der Zensur und der eher niedrigen literarischen Qualität der Autoren vermitteln diese Bücher ein realistisches Bild des Kriegsverlaufs und seiner Schrecken. Einige Bücher widmen sich auch der Partisanenbewegung, wie „Menschen mit reinem Gewissen“ von P. Vershigora, „Ausgang“ von P. Proskurin, „Blutige Ufer der Nemiga“ von Wl. Karpow und andere. Ebenso interessant sind die Memoiren bekannter Marschälle wie K. Rokossowski, I. Koniew und N. Krylow.
Man kann sich mit den Originaldokumenten aus dieser Zeit in den Büchern „Korrespondenz Stalins mit Roosevelt und Churchill“ in zwei Bänden sowie in den Sammlungen „Heiliger Krieg“ und „Krieg, Volk, Sieg“ vertraut machen. Unter den ins Russische übersetzten Kriegsbüchern sind insbesondere der bereits erwähnte Roman von Norman Mailer, der Kriminalroman „Operation Adler“ von Jack Higgins sowie das Werk, das in der Sowjetunion mehr Anerkennung fand als in Deutschland, der Roman „Zeit zu leben und Zeit zu sterben“ von Erich Maria Remarque hervorzuheben.
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Die Bibliothek ist ein wesentlicher Bestandteil der kulturellen und bildungspolitischen Tradition der jüdischen Gemeinde. Sie spielt eine Schlüsselrolle bei der Bewahrung und Weitergabe von Geschichte, Kultur und religiösen Traditionen, was insbesondere im Kontext der komplexen Geschichte des jüdischen Volkes, einschließlich der Holocaust-Zeit, von großer Bedeutung ist. Die Bibliothek beherbergt nicht nur Bücher und Dokumente, sondern auch wertvolle Quellen, die von Schicksalen und dem Leben der Juden in verschiedenen historischen Epochen zeugen. Sie bietet den Gemeindemitgliedern und allen Interessierten Zugang zu einem reichen Fundus an Literatur, einschließlich wissenschaftlicher Forschungen, Memoiren, Belletristik und historischen Dokumenten. Die Bibliothek fördert nicht nur Bildung und Selbstbildung, sondern dient auch als Ort für Treffen, Diskussionen und kulturelle Veranstaltungen, wodurch sie zur Stärkung der sozialen Gemeinschaft beiträgt. Sie bietet eine Plattform für die Integration und Interaktion zwischen Gemeindemitgliedern und anderen kulturellen Gruppen und fördert den Wissensaustausch sowie das gegenseitige Verständnis. In der modernen Welt bleibt die Bibliothek der jüdischen Gemeinde eine notwendige und wichtige Institution, die weiterhin eine bedeutende Rolle bei der Bewahrung und Aufklärung spielt und auf die Unterstützung und Förderung der Vielfalt des kulturellen Erbes und Verständnisses ausgerichtet ist.
Autor: Pavel Goldvarg, (basierend auf Materialien aus dem Archiv der Zeitung „Vestnik – Der Bote“ 1997-2020)