Oldenburg ist eine Stadt im Bundesland Niedersachsen im Nordwesten Deutschlands. Wenn Sie auf einer Karte drei wichtige historische und kulturelle Denkmäler der Stadt markieren, die sich im Zentrum der Sradt am Fluss Hunte befinden – das Gebäude der neuen Synagoge, das Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus und die Gedenkstele zu Ehren der ermordeten Juden – und wenn man diese Punkte dann mit Linien verbindet, erhält man eine Art „jüdisches Dreieck“. Die Ereignisse in diesem Gebiet sind eng mit dem jüdischen Leben in der Stadt verbunden, das seine Wurzeln in der fernen Vergangenheit hat. In diesem Artikel werden wir hauptsächlich über eines der genannten Objekte sprechen – die Synagoge, insbesondere da die jüngsten Ereignisse einen traurigen Anlass für Informationen dazu liefern haben.
Nach dem Angriff der terroristischen Organisation HAMAS auf Israel und der darauf folgenden Operation der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen rollte eine Welle von Kundgebungen und anderen Veranstaltungen zur Unterstützung Israels und gegen antisemitische Aktionen durch ganz Deutschland. Allerdings gab es in Oldenburg bis vor kurzem dank der von den Behörden ergriffenen Maßnahmen keine ernsthaften antiisraelischen oder antisemitischen Aktionen wie Angriffe auf jüdische Organisationen oder aggressive pro-palästinensische Manifestationen. Und so war es bis vor Kurzem…
Aber am Freitag, dem 5. April 2024, gegen 13 Uhr, wurde von einem unbekannten Täter (oder Tätern) eine Flasche mit Brandbeschleuniger – einem „Molotow-Cocktail“ – gegen die Eingangstür der Synagoge in Oldenburg geworfen. Zu diesem Zeitpunkt fand keine Massenveranstaltung in der Synagoge statt, es befanden sich nur drei Frauen dort, die sich auf die Feier des traditionellen Schabbats am Abend vorbereiteten. Ein größerer Brand konnte dank des schnellen Eingreifens von zwei Mitarbeitern des benachbarten Kulturzentrums PFL verhindert werden. Das Feuer wurde schnell gelöscht, und daher gab es glücklicherweise keine Verletzten. Lediglich die schöne hölzerne Tür der Synagoge und ein Teil der Wand wurden ernsthaft beschädigt. Die NWZ-Zeitung veröffentlichte einige Details zu dieser Episode und nannte die Namen von zwei Personen, die eine große Katastrophe verhinderten. Es stellte sich heraus, dass es sich um Olaf Alves und Andreas Erburt handelte.
Praktisch sofort nach dem Vorfall traf die Polizei mit Ermittlern und Kriminaltechnikern an der Synagoge ein. Angesichts der besonderen Bedeutung des Ortes begannen die Ermittler und Sicherheitskräfte sofort mit der Untersuchung des Tatorts. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels war das Motiv des Vorfalls unklar, die Ermittlungen laufen, wie die Polizei erklärte, „in alle Richtungen“, jedoch wird auch ein antisemitischer Angriff in Betracht gezogen. Die Polizei sucht intensiv nach dem Täter.
Präsidenten der Polizeidirektion Oldenburg, Andreas Sagehorn hat angegeben: „Ich verurteile diesen Angriff auf eine jüdische Gebetsstätte in Oldenburg auf das Schärfste. Die Polizei wird alles tun, um die Hintergründe dieser feigen Tat aufzuklären und den oder die Täter zu ermitteln. Diesen Angriff werden wir zum Anlass nehmen, die Sicherheitsmaßnahmen an der Oldenburger Synagoge bis zur Klärung der weiteren Tatumstände unmittelbar zu erhöhen.“
Oldenburgs Oberbürgermeister Jürgen Krogmann in einem kurzen Interview mit der NWZ äußerte er große Besorgnis über den Vorfall: „Unsere volle Solidarität gilt der jüdischen Gemeinde und unsere Unterstützung den Ermittlungsbehörden.“
Die Bewohner von Oldenburg waren äußerst schockiert und empört, als sie von dem Angriff auf die örtliche Synagoge erfuhren. Sofort auf dem Bürgersteig vor den Türen der Synagoge, wo ein schönes Bild des rituellen jüdischen Siebenarmigen Leuchters Menora aus dekorativen Fliesen gelegt ist, begann ein Hügel aus lebendigen Blumen, Kerzen und Solidaritätskarten mit Worten der Solidarität mit den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde zu wachsen.
Am Abend kamen spontan viele Menschen zu den Gebäuden der Synagoge und des Gemeindezentrums in der Leo-Trepp-Straße. Sie hielten Israel-Flaggen und Plakate gegen Antisemitismus in den Händen.
Michael Stahl, zweiter Vorsitzender und Sicherheitsbeauftragter der Jüdischen Gemeinde, sagte: „Wir sind sehr erschrocken, dass es offenbar auch in Oldenburg einzelne Personen gibt, die so einen Hass verspüren.“ „Wir werden uns in keiner Weise in unserem Betrieb hier beeinträchtigen lassen. Die Gottesdienste werden stattfinden.“ Zu der Spontankundgebung versammelten sich schätzungsweise bis zu 350 Menschen, die hier eine „Gedächtniswache“ hielten. Die Menschen, die sich vor der durch den Angriff beschädigten Synagoge versammelt hatten, standen in traurigem Schweigen da, um ihre Solidarität mit der jüdischen Gemeinde der Stadt auszudrücken.
Der Tag des 5. April erwies sich als „reich“ an Vorfällen mit offensichtlich antisemitischem und antiisraelischem Hintergrund. Auf dem alten jüdischen Friedhof der Stadt wurde am Zaun die Inschrift „Israel Terrorstate“ gefunden und auf der Informationstafel eines der städtischen Krankenhäuser stand „Juden raus“. Die Polizei und der Staatsschutz leiteten Ermittlungen zu diesem Sachverhalt ein.
Informationen über den Anschlag auf die Oldenburger Synagoge und antisemitische Parolen in der Stadt verbreiteten sich schnell im ganzen Land. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, betonte: „Wir lassen uns nicht kaputtmachen. Jüdisches Leben gehört zu unserem Land, Deutschland.“ Auch die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens verurteilte den Anschlag aufs Schärfste.. „Auch wenn die Hintergründe der Tat noch unklar sind, sie macht mich sehr betroffen. Brandanschläge auf Synagogen sind für mich absolut verwerflich und unsäglich“, — sagte sie. Jüdinnen und Juden in Niedersachsen sollten keine Angst haben oder sich bedroht fühlen müssen. „Die Sicherheitsbehörden werden alles dafür tun, den oder die Täter zu ermitteln. Der Rechtsstaat wird hier klare Kante zeigen“, — machte es Frau Behrens deutlich.
„Der Anschlag auf die Oldenburger Synagoge erinnerte mich an die Reichspogromnacht 1938.“ – sagte evangelischer Pastor Volker Landig, Mitbetreiber der Synagogen-Gedenkstätte „Gröschler-Haus“ in Jever, einer Kleinstadt in der Nähe von Oldenburg, der von der Nachricht vom Anschlag auf die Oldenburger Synagoge zutiefst schockiert war – „Ein Brandanschlag auf eine Synagoge ist vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte eine verabscheuungswürdige Tat mit entsetzlicher Symbolik.“
Und am Sonntag, den 7. April, versammelten sich Hunderte Menschen auf einem der zentralen Plätze der Stadt zu einer Kundgebung mit dem Titel „Solidarität mit der jüdischen Gemeinde Oldenburg – eine Demonstration gegen Antisemitismus“. Organisiert wurde die Kundgebung vom Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus Oldenburg. Unter den Teilnehmern waren Mitglieder der jüdischen Gemeinde und Vertreter der Stadtbehörden. Nach Angaben der Polizei versammelten sich rund 400 Teilnehmer auf dem Platz. Redner der Kundgebung assoziierten diesen Terrorakt nicht nur mit einem Protest gegen Israel, sondern vor allem mit offensichtlichem Antisemitismus. Der Hauptgedanke der Redner war: „Es muss nie wieder sein“, denn alle Juden in Deutschland sollten frei beten, Lieder singen und ihre Feiertage feiern können. Das ist grundsätzlich falsch, wenn sie dafür von der Polizei geschützt werden müssen. Aber jetzt sollten Juden stärker geschützt werden. Vorsitzenderin der Jüdischen Gemeinde Oldenburg Prof. Dr. Claire Schaub-Moore dankte in ihrer Rede den Bewohnern für ihre Unterstützung nach dem Angriff. „Wir sind tief beeindruckt von dieser Solidarität, – sagte sie. – Wir spüren diese Kraft, und sie ist viel größer als das, was vor unserer Synagogentür geschah.“ Die Rede der Vorsitzenderin wurde von den Kundgebungsteilnehmern besonders positiv aufgenommen und brachte ihr Einverständnis mit Applaus zum Ausdruck.
Oldenburgs Oberbürgermeister Jürgen Krogmann verurteilte den Angriff auf das Schärfste und stellte fest, dass jemand, der einen Molotowcocktail in ein Gebäude wirft, normalerweise damit rechnet, dass sich darin Menschen befinden: „Es war ein Mordversuch, Terror und nichts weiter.“ Er fügte hinzu, dass es in Oldenburg bereits zu antisemitischen Vorfällen gekommen sei, allerdings nicht in diesem Ausmaß. Nach Abschluss der Versammlung wurde ein Marsch durch die Stadt vorgeschlagen. Die meisten Demonstranten bewegten sich durch die Oldenburger Innenstadt in Richtung Hauptbahnhof, in der Demonstrantenkolonne waren jüdische Lieder zu hören und die Teilnehmer riefen: „Gegen jeden Antisemitismus!“.
Leider ist dies nicht der erste Angriff auf eine Synagoge in Deutschland – im Herbst 2023 versuchten pro-palästinensische Demonstranten in Berlin ebenfalls, die Synagoge anzuzünden, sie bewarfen die Polizei mit Steinen und zündeten Barrikaden an. Die Anzahl der antisemitischen Verbrechen ist in Deutschland drastisch angestiegen, nachdem die radikal-islamistische Bewegung HAMAS Israel am 7. Oktober 2023 angegriffen hatte und die israelische Armee daraufhin militärische Maßnahmen ergriffen hat.
Antisemitische Angriffe von Vandalen auf jüdische Einrichtungen in Oldenburg haben bereits früher stattgefunden. So wurde drei Jahre vor den beschriebenen Ereignissen ein Denkmal auf der Peterstraße von Vandalen angegriffen. Dieses Denkmal war zur Erinnerung an die jüdischen Bürger der Stadt errichtet worden, die während der nationalsozialistischen Ära getötet wurden. Es befindet sich neben dem städtischen Kulturzentrum PFL, gegenüber dem Ort, an dem einst die wunderschöne Synagoge von Oldenburg stand, die in der Kristallnacht am 9. November 1938 von den Nazis niedergebrannt und zerstört wurde. Die Namen der Opfer des Nationalsozialismus sind auf der Plakette verzeichnet. Auf dem Denkmal ist die Inschrift eingraviert: „Wir erinnern uns an die 175 Bürger der Stadt Oldenburg, die während der nationalsozialistischen Verfolgung der Juden getötet wurden. Wir gedenken Ihnen mit tiefer Trauer und Scham, 2013. Stadtrat von Oldenburg; Initiative Gruppe“. Am 27. Juli 2021 wurde die Gedenktafel von beiden Seiten mit weißer Farbe übergossen und antisemitische sowie antiisraelische Parolen wurden darauf gemalt. Insbesondere wurde auf der Vorderseite des Denkmals in großen Buchstaben auf Deutsch eine Bedrohung geschrieben: „Amalek kommt!“ (Amalek ist eine biblische Figur, der Hauptfeind des jüdischen Volkes). Mit anderen Worten, „die Feinde Israels kommen“. Leider gelang es damals weder, die Täter auf frischer Tat zu ertappen, noch später.
Im Jahr 2008 drangen Täter auf das Gelände des Alten Jüdischen Friedhofs in Oldenburg ein und malten Hakenkreuze auf Grabdenkmäler, von denen einige zerstört oder beschädigt wurden. Sie beschmierten die Wände der Trauerhalle auf dem Friedhof mit antisemitischen Parolen und bemalten sie mit Hakenkreuzen. Das jüdische Friedhof wurde insgesamt wiederholt Ziel antisemitischer Angriffe, zuletzt im Jahr 2015. Früher gelang es der Polizei, die Täter zu finden. Es stellte sich heraus, dass es sich um Aktivisten neonazistischer Gruppen handelte. Hoffen wir, dass auch diesmal die antisemitischen Verbrecher schnell gefasst werden.
Autor: Yakub Zair-Bek,
Fotos: NWZ-Zeitung, Natalia Sheina und aus dem Archiv des Autors