Wir setzen die Veröffentlichung von Essays aus unserem neuen Zyklus „Jüdische Adressen Oldenburgs“ fort. Heute präsentieren wir den sechsten Essay aus dieser Reihe. Er ist den Ereignissen des jüdischen Lebens der Stadt in den 80er- und 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts gewidmet. Bei der Arbeit an diesem Essay wurden Materialien aus „Familienchroniken von Faina Abramson“ verwendet.
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Die Oldenburger Jüdische Kultusvereinigung, die 1945 als Nachfolgeorganisation der Vorkriegsgemeinde gegründet wurde, löste sich Ende 1960 aus Gründen der geringen Mitgliederanzahl und des fehlenden Minjan auf. Ebenfalls wurde sie aus dem Stadtregister der Vereinigungen mit der Bemerkung: „Vereinigung abgeschafft wegen Mangel an Mitgliedern“ entfernt.
Dann verging mehr als ein Vierteljahrhundert. 1989 gründete eine Gruppe der Enthusiasten, geführt von Sara-Ruth Schumann, eine Vereinigung namens „Jüdische Gruppe Oldenburgs“. Zu der Zeit war es nicht möglich, eine jüdische Gemeinde zu registrieren, da fast die Hälfte der Mitglieder nach Halacha-Gesetz nicht als Juden gelten konnten. Die Gruppe verfügte über keine eigenen Räume, deswegen fanden Treffen in verschiedenen Räumen statt und wurden Feiertage zelebriert. Das erste offizielle Treffen der Jüdischen Gruppe fand im Oktober 1989 statt. An den festlich gedeckten Tischen wurde Schabbat gefeiert. An einem wunderbar geschmückten Einzeltisch mit einer schönen Tischdecke, mit Blumen und Kerzen, mit verschiedenen Leckereien saßen Kinder. Viele von ihnen feierten den Schabbat „nach allen jüdischen Regeln“ zum ersten Mal.
Jüdische Feiertage in der Achternstraße 42
Im August 1992 fand ein wichtiges Ereignis im jüdischen Leben unserer Stadt statt: Die Jüdische Gemeinde wurde registriert und bekam einen offiziellen Namen: „Jüdische Gemeinde zu Oldenburg e. V.“ Die Teilnehmerliste der Gründungsversammlung umfasste nur 18 Namen. Heute zählt unsere Gemeinde schon beinahe 300 Mitglieder. In den ersten Gemeindevorstand wurden gewählt: Sara-Ruth Schumann – Erste Vorsitzende; Pedro Benjamin Becerra – Zweiter Vorsitzender; Prof. Dr. Michael Daxner – Schatzmeister; Andrej Kulakovski und Oshra Levy – Beisitzer. Da die neu gegründete Gemeinde zur damaligen Zeit noch keine Synagoge hatte und die Entscheidung über die Rekonstruktion des Gebäudes Wilhelmstraße 17 gerade getroffen wurde, wurde die vorläufige Synagoge in den Räumlichkeiten der Kunstgalerie „Galerie 42“ (Achternstraße 42), die Frau S.-R. Schumann gehörte, eingerichtet. Obwohl diese Synagoge nur provisorisch war, verfügte sie über fast alles Notwendige gemäß jüdischer Tradition: Aaron Kodesch, zwei Thora-Rollen, eine Bima und andere Utensilien. In dieser Synagoge wurden regelmäßig Schabbat-G’ttesdienste abgehalten und jüdische Feiertage zelebriert. 1994 wurde hier die Hochzeit nach jüdischer Tradition (Chuppa)von Estherund Axel Azollagefeiert. Die festliche Zeremonie der Eheschließung hielt Rabbiner Dr. Henry G. Brandt ab.
Autor: Yakub Zair-Bek