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Jüdische Adressen Oldenburgs
Die vierte Adresse: Judengang

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    Wir setzen die Veröffentlichung der Essays aus dem neuen Zyklus „Jüdische Adressen Oldenburgs“ fort. Heute folgt der vierte Essay dieses Zyklus. Darin wird es um die Geschichte der jährlich in Oldenburg abgehaltenen Gang der Reue und Erinnerung gehen, die den Opfern des Holocausts gewidmet sind.

    In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10.November 1938, die schreckliche Erinnerungen in den Herzen aller Juden Deutschlands hinterließ, wurde auch die Oldenburger Synagoge in der Peterstraße 2 geplündert und abgebrannt, ebenso wie die jüdische Schule nebenan und die zwei letzten jüdischen Handelsgeschäfte in der Kurwickstraße. Am nächsten Tag wurden jüdische Männer verhaftet und mit einem Polizeikonvoi von den Polizeikasernen am Pferdemarkt über die Innenstadt bis zum Untersuchungsgefängnis beim Landesgericht geführt. Dieser traurige Weg der dreiundvierzig Männer voller Erniedrigung und Verhöhnung ging an den Ruinen der noch rauchenden Synagoge vorbei durch die belebten Einkaufsstraßen – Haarenstraße, Lange Straße, Schlossplatz und den anderen. Und überall, wo sie vorbeigingen, waren Mengen von Gaffern auf den Straßen, sie schrien antisemitische Beschimpfungen und verspotteten die Juden.

    Und ein paar Tage später wurden genau diese Männer mit einem Polizeikonvoi durch die Stadt zum Hauptbahnhof geführt und ins KZ Sachsenhausen deportiert. Unter ihnen war auch der damalige Oldenburger Rabbiner Leo Trepp. Glücklicherweise verbrachte er im Lager nur 18 Tage, danach gelang es mit Hilfe britischer Rabbiner, ihn zu befreien und aus Deutschland herauszubringen.

    1938 lebten in Oldenburg 320 Juden, 1939 waren es nur noch 96, von denen 20 gezwungen waren, in der Kurwickstraße 5 zu leben. Von den Juden, die 1933 in Oldenburg lebten, emigrierten 62 in die Niederlande, 17 nach Palästina, 36 in die USA bzw. nach Kanada, in die Länder des Vereinigten Königreichs oder nach Südafrika. Viele überlebten den Holocaust nicht, darunter die Mehrzahl derer, die in der Stadt blieben. Insgesamt wurden 125 Menschen aus Oldenburg Opfer des Naziterrors.

    Ereignisse in Oldenburg 10.11.1938 nach der Reichspogromnacht und „Gang der Reue und der Erinnerung“ auf der Route vom „Judengang“

    Nach dem Zweiten Weltkrieg fand in Oldenburg 1949/50 ein Gerichtsprozess wegen des Synagogenbrandes 1938 statt. Die Täter wurden zu Haftstrafen von neun Monaten bis zu zwei Jahren verurteilt.

    Am 10. November 1981, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, organisierten engagierte    Christen  der Stadt zum ersten Mal einen „Gang der Reue und der Erinnerung“. Dieser Gedenkgang, an dem gemäß der Tradition keine Juden teilnehmen, startete an der Landesbibliothek am Pferdemarkt, den ehemaligen Polizeikasernen, und wiederholte genau den Weg, den die jüdischen Mitbürger im November 1938 zurückzulegen hatten. Dieser Erinnerungsgang findet seitdem jedes Jahr statt: Es kommen immer mehr Menschen dazu, die antinazistische Plakate tragen – Schüler, Studenten, Lehrer, Beamte, Bauarbeiter, Verkäufer, Ärzte… Und jedes Jahr nehmen an diesen Märschen mehr und mehr junge Leute teil. Das sind Deutsche einer neuen Generation, die die Wiederholung einer solchen Tragödie verhindern wollen. Der Zug hält in der Peterstraße am Mahnmal für die Oldenburger Opfer des Nationalsozialismus, wo Vertreter der Jüdischen Gemeinde einen Kranz und Blumen niederlegen und das Kaddisch sprechen. Seit 1981 finden in den Kirchen aller Konfessionen in Oldenburg G’ttesdienste zur Erinnerung an die Holocaust-Opfer statt.

    Autor: Yakub Zair-Bek

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