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Jiddisch und Rotwelsch / Mame Loshn aun Chochemer Loshn

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    Was haben die zwei Sprachen gemeinsam und in welcher Beziehung stehen sie zueinander? Um besser zu verstehen, welche Einflüsse hier aufeinander wirken, betrachten wir zuerst die Definitionen dieser Sprachen. Über den Einfluss des Rotwelschen auf das Deutsche werden wir hier weniger eingehen, da es bereits zahlreiche Fachliteratur dazu gibt und dies nicht das Hauptziel dieses Artikels ist. Aber lassen Sie uns genauer betrachten, was Jiddisch und Rotwelsch gemeinsam haben:

    • Jiddisch ist eine germanische Sprache, die von aschkenasischen Juden gesprochen wird. Das Jiddische hat seine Ursprünge im Mittelhochdeutschen und wurde im Laufe der Zeit um Ausdrücke aus dem Hebräischen, Slawischen, Aramäischen und Romanischen erweitert. Jiddisch wurde sowohl in jüdischen Gemeinden als Alltagssprache als auch für Literatur und religiöse Texte verwendet. Nach meheren Einschätzungen hat es bis zu 70% an Wörter der deutschen Abstammung, auch benannt als Jidish-Deytsh (Jüdisch-Deutsch).
    • Rotwelsch ist eine Geheimsprache, die historisch von Gaunern, Vagabunden und fahrenden Handwerkern verwendet wurde. Es entstand im deutschsprachigen Raum und enthält Elemente aus verschiedenen Sprachen wie Deutsch, Romanes, Hebräisch und Jiddisch. Rotwelsch wurde oft von Menschen am Rande der Gesellschaft genutzt, um sich vor Verfolgung oder Missverständnissen zu schützen.

    Rotwelsch ist eigentlich eine Mischung aus Slang, Fachbegriffen und regionalen Dialekten. Neben der Neubildung von deutschen Wörtern integrierte das Rotwelsche auch stets Fremdausdrücke. Eine bedeutendeste Quelle dafür war das Jiddisch.

    Ein Beispiel für ein jiddisches Wort im Rotwelschen ist „Masel“, das mit Planeten, Schicksal und Glück übersetzt werden kann. Wenn jemand in einer bestimmten Situation „Masel“ hat, bedeutet dies, dass er unter einem guten Stern steht und knapp einer unglücklichen Situation entkommen ist. Ein weiteres aus dem Jiddischen entlehntes Wort ist das allgemein bekannte „Schmier“ oder Schmiere. „Schmier“ ist die gängige rotwelsche Bezeichnung für einen Wächter oder Aufpasser, sowohl auf Seiten der Gauner („Schmier stob“, was bedeutet, beim Stehlen Wache zu halten) als auch auf Seiten des Gesetzes („d Schmier hole“, was bedeutet, die Polizei zu rufen). Das jiddische Wort „schmiro“ bedeutet Bewachung oder Wächter. Eine „betuchte Schmier“ bezeichnet eine versteckt aufgestellte Wache. Das Wort „betucht“ stammt ebenfalls aus dem Jiddischen und bedeutet so viel wie sicher, zuverlässig, vertrauenswürdig, still und vorsichtig. In der Umgangssprache bedeutet jemand, der „gut betucht“ ist, dass er erfolgreich ist und sich von risikoreichen Geschäften zurückzieht, um seinen Besitz zu verwalten und zu vermehren. „Mammon“ bezeichnet im Jiddischen Geld, Vermögen oder Reichtum und wird im Rotwelsch oft abwertend für Reichtum verwendet. Das Schlimmste, was einem Straßenräuber passieren konnte, war, zur „Schul“ zu gehen, was bedeutete, ins Gefängnis zu gehen – ein Ausdruck, der vom deutschen Wort „Schule“ abgeleitet und seinersets aus dem jiddischen Wort „Schul“ (Synagoge) umgewandelt wurde.

    Diese witzige und listige Sprache, die großen Worten und offiziellen Institutionen nicht traute, drückte mit poetischer Präzision aus, was bedeutet „Saure Gurkenzeit“ (heute im Englischen als „being in a pickle“ bekannt). Es ist aber in „Schwierigkeiten zu geraten“, wörtlich übersetzt – wie eine Gurke in einer Salzlake zu sein. Aber warum genau? Warum genau „Gurken in Salzlake“? Eigentlich war der ganze Satz ein Missverständnis, eine falsche Übersetzung aus Rottwelsch. Der ursprüngliche jiddische Ausdruck „Zores und Jokreszeyt“ (Zeit der Not und steigende Preise) hatte nichts mit Gurken zu tun, sondern klang nur für deutsche Ohren wie „Saure Gurkenzeit“, oder „Gurkenzeit“), sodass deutsche Sprecher fälschlicherweise anfingen, von eingelegten Gurken zu sprechen, obwohl sie waren in Schwierigkeiten. Der Satz gelangte bald ins Englische.

    Die wahre Aufgabe der Rotwelsch bestand nicht darin, etwas zu verbergen, sondern diesen Ausgestoßenen zu helfen, sich in ihrem täglichen Leben zurechtzufinden und ihre eigene Gemeinschaft zu gründen. Sein zweiter Name ist „Chochemer Loshn“, der wie viele Wörter in dieser Sprache aus dem Jiddischen stammt und diese Realität widerspiegelt: „chokhmah“, was Weisheit bedeutet; und „loshn“ bedeutet Sprache oder Dialekt.

    „Zunächst haben wir festzustellen, dass sowohl Judendeutsch wie auch Zigeunerisch durchaus vom Rotwelsch verschieden ist. Zwar tritt in Prozessen des 18. und I9. Jahrhunderts das Judendeutsch zuweilen als Gannersprache auf. Aber das eigentliche Rotwelsch enthält immer einzelne judendeutsche Bestandteile …“

    Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, 5. Januar 1901, Quelle: deutsche-digitale-bibliothek.de

    Der Einfluss des Jiddischen auf das Rotwelsche war aufgrund der sozialen Stellung der Juden begründet. Ähnlich den Fahrenden waren sie weitgehend vom bürgerlichen Leben ausgeschlossen und bildeten zusammen mit anderen sozial Ausgegrenzten wie den Rechtlosen, Vertriebenen, fahrenden Händlern, Soldaten, Kleinhandwerkern, Vaganten, Gaunern sowie Roma, Sinti und Jenischen eine wandernde Bevölkerungsgruppe. Durch die erzwungenen Kontakte ergab sich eine natürliche Integration jiddischer Ausdrücke in das Rotwelsche.
    Zusätzlich ist anzumerken, dass das Rotwelsche nicht nur die Sprache der sozialen Randgruppen war, sondern auch in literarischen Werken und der Umgangssprache breite Verwendung fand. Besonders im argotischen Jargon der Gauner, aber auch in der Alltagssprache der Menschen fanden rotwelsche Ausdrücke Anwendung. Diese Vielseitigkeit und Adaptabilität trug zur dauerhaften Verankerung des Rotwelschen und des Jiddischen in der deutschen Sprachlandschaft bei.

    Autor: Pavel Goldvarg, basierend auf Materialien aus der Deutschen Presse und Open-Source Quellen.

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