Jüdische Namen auf der Karte von Oldenburg
Teil 1: Rabbiner Leo Trepp

Betrachtet man die Karte von Oldenburg in Niedersachsen, fallen mehrere nach Personen jüdischer Herkunft benannte Orte ins Auge. Laut offiziellen Angaben, insbesondere der „Straßennamen-Studie”, dem Anhang „Dokumentation Oldenburger Straßennamen” sowie anderen städtischen Unterlagen, gibt es in Oldenburg zahlreiche Straßen, die nach Juden benannt sind, die einen bedeutenden Beitrag zum kulturellen Erbe der Stadt oder zur Geschichte und Kultur Deutschlands geleistet haben.

Dazu gehören:

  • Leo-Trepp-Straße – Straße, benannt nach dem letzten vor dem Krieg amtierenden Rabbiner Oldenburgs, Prof. Leo Trepp (1913–2010);
  •  Adolf-de-Beer-Straße – eine Straße, benannt nach dem Vorkriegsvorsitzenden der jüdischen Gemeinde Oldenburgs, Adolf Daniel de Bier (1877–1955);
  •  Janusz-Korczak-Weg – Straße, benannt nach dem polnisch-jüdischen Pädagogen, Arzt und Schriftsteller Janusz Korczak (Henrik Goldszmit) (1878–1942);
  •  Philipp-de-Haas-Straße – Straße, benannt nach Rabbi Philipp de Haas (1884–1935), dem Vorgänger von Rabbi Trepp in Oldenburg;
  •  Lise-Meitner-Straße – Straße, benannt nach Lise Meitner (1878–1968), einer Physikerin, die in einer jüdischen Familie in Wien geboren wurde;
  •  Rahel-Strauss-Straße – Straße, benannt nach Rahel (Rael) Strauss (1880–1963), Ärztin und Sozialaktivistin,
  • und eine Reihe weiterer Straßen, benannt nach herausragenden Persönlichkeiten jüdischer Herkunft, deren Liste derzeit präzisiert und aktualisiert wird.

Oberrabbiner von Großbritannien Joseph Hertz (Quelle: commons.wikimedia.org)

In Oldenburg gibt es darüber hinaus die Hertzstraße im Stadtteil Kreyenbrück. Es gibt jedoch keine dokumentarischen Belege oder direkte Aufzeichnungen, die belegen, dass diese Straße tatsächlich nach dem bekannten Physiker Heinrich Hertz (1857–1894) benannt wurde. Er war der Sohn des getauften Juden Gustav Hertz und ist somit jüdischer Herkunft.

Es gibt eine schöne Legende, der zufolge diese gemütliche Straße nach dem geistigen Führer der britischen Juden und Oberrabbiner Großbritanniens, Joseph Hertz (1872–1946), benannt wurde. Hertz half im Herbst 1938 dem jungen Oldenburger Rabbiner Leo Trepp und dessen Frau bei der Beschaffung eines Visums und ermöglichte ihnen so die Auswanderung – und damit praktisch die Rettung ihres Lebens.

Ich wiederhole: Die Version über die Geschichte des Namens dieser Straße im Stadtteil Kreyenbrück ist lediglich eine begründete Hypothese, die sogar von Beamten unterstützt wird, aber keine dokumentierte Tatsache. Wie dem auch sei, im Januar 2024 wurden die Hertzstraße und die benachbarte Röntgenstraße saniert und verschönert. Unter anderem wurden die Grünanlagen erneuert. Auf Beschluss des Stadtrats wurden im Rahmen des Masterplans Stadtgrün außerdem elf neue Bäume gepflanzt und der Boden durch ein spezielles Substrat ersetzt. Die Arbeiten wurden unter der Leitung der Stadtverwaltung und von Oberbürgermeister Jürgen Krogmann durchgeführt.

Hertzstraße (aus dem Archiv des Autors)

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Rabbiner, Professor, Doktor der Theologie Leo Trepp (Quelle: juedische-allgemeine.de)

Die Oldenburger bewahren die Namen dieser Menschen – insbesondere der herausragenden Rabbiner und jüdischen Persönlichkeiten –, deren Schicksal auf die eine oder andere Weise mit den dramatischen Ereignissen der jüdischen Gemeinde Oldenburgs in den 1930er Jahren verbunden ist, sorgfältig. In diesem Artikel werde ich über das Leben und Wirken von Professor Dr. Leo Trepp berichten, dem letzten Rabbiner Oldenburgs vor dem Krieg.

Leo Trepp wurde am 4. März 1913 in Mainz geboren. Nach dem Abitur studierte er Philosophie und Philologie an den Universitäten Frankfurt und Berlin. In den 1930er Jahren erhielt er den Titel eines Rabbiners. Ab 1936 war er Landesrabbiner von Oldenburg, leitete etwa 15 Gemeinden in der Region und widmete sich der jüdischen Bildung sowie der Unterstützung und Erhaltung des jüdischen Lebens. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, der sogenannten „Reichskristallnacht“, wurde die Oldenburger Gemeinde zerstört und die schöne Synagoge in der Peterstraße niedergebrannt. Auch die benachbarte jüdische Schule wurde zerstört. Die Nazis plünderten und zerstörten zudem die letzten beiden in der Kurwickstraße betriebenen jüdischen Geschäfte. Am nächsten Tag wurden in der Stadt jüdische Männer verhaftet und unter Bewachung von Polizisten und SA-Männern von der Polizeikaserne am Pferdemarkt durch die Innenstadt zum Untersuchungsgefängnis am Landgericht geführt. Dieser traurige Weg der 43 Männer, ein Marsch der Demütigungen und Schikanen, führte an den noch rauchenden Trümmern der Synagoge vorbei durch die belebten Einkaufsstraßen Haarenstraße, Lange Straße und Schloßplatz. Überall, wo sie vorbeikamen, strömten Schaulustige auf die Straßen, die antisemitische Beleidigungen riefen und sich über die Verhafteten lustig machten.

Leo Trepp in seiner Jugend (Quelle: de.findagrave.com/memorial)

Einen Tag später wurde dieselbe Gruppe von Juden erneut unter bewaffneter Bewachung durch die Stadt zum Hauptbahnhof gebracht. Von dort aus wurden sie mit dem Zug in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Unter den Deportierten befand sich auch Rabbi Leo Trepp, der die Landesgemeinde Oldenburg leitete. Er blieb glücklicherweise nur 18 Tage im Lager und wurde anschließend dank der Hilfe von Rabbinern aus Großbritannien, insbesondere des britischen Oberrabbiners Joseph Herz, aus dem Lager befreit. Danach konnte er ins Ausland fliehen.

Rabbiner Prof. Dr. Leo Trepp und Rabbinerin Bea Wieler im Garten der Jüdischen Gemeinde Oldenburg, Juni 2000
Vier Rabbiner: Rabbi Andrew Sachs, Prof. Leo Trepp, Rabbi Bea Wieler und Rabbi Erwin Birnbau in der Oldenburger Synagoge, Juli 1997
Rabbiner Professor Dr. Leo Trepp bei der Eröffnung einer Ausstellung zum jüdischen Leben in Oldenburg und der niederländischen Stadt Groningen vor dem Holocaust, Juni 1999
Professor Leo Trepp am Podium (Quelle: Jüdische Gemeinde Oldenburg 1992-2002, Isensee Verlag Oldenburg, 2002)

Er lebte seit 1940 in den USA, kam aber gelegentlich nach Deutschland. Er war Professor an der theologischen Fakultät der Universität Mainz. Der Autor toller Bücher und Professor, der auch in Kalifornien unterrichtete, sagte seinen christlichen Studierenden: „Ihr seid nicht schuld an dem, was eure Großväter getan haben. Aber die Verantwortung bleibt bestehen. Deutschland muss im Kampf gegen Antisemitismus weltweit eine Vorreiterrolle übernehmen.“ Leo Trepp blieb sein ganzes Leben lang mit Oldenburg, der Stadt seiner Jugend, verbunden. So beteiligte er sich 1992 an der Wiederbelebung der Jüdischen Gemeinde Oldenburg. Selbst im hohen Alter und schwer krank kam er in diese Stadt, besuchte die jüdische Gemeinde und hielt Vorträge und Reden, die immer viele Zuhörer fanden. Wenn er sich an den Tisch setzte – stehen konnte er nicht mehr – und zu sprechen begann, verwandelte er sich völlig: Er wurde majestätisch und großartig, mit tiefer Stimme und klarem Blick. Zuvor hatte er sich mit großer Mühe aus seinem Rollstuhl erhoben, sich an die Arme seiner zierlichen Frau Gunda gehängt und einige Stufen überwunden. Doch sobald er Platz genommen hatte, begann er zu sprechen. Und nun waren sein Alter und seine Krankheiten fast nicht mehr zu sehen. Sein Körper war schwach, doch sein Geist war wach.

Das nach ihm benannte Bildungszentrum der Jüdischen Gemeinde Oldenburg wurde im Jahr 2010 gegründet. Rabbiner Leo Trepp verstarb am 2. September 2010 in San Francisco, USA. Bis zu seinem Tod stand die Jüdische Gemeinde Oldenburg in ständigem Kontakt mit ihm. Mit seinem Tod schied der letzte Zeitzeuge der Vorkriegsgeschichte der Juden in dieser niedersächsischen Stadt aus dem Leben.

Anlässlich des 100. Geburtstags von Professor Dr. Leo Trepp, dem ehemaligen Landesrabbiner von Oldenburg und Ehrenbürger der Stadt, hat die Stadtverwaltung beschlossen, eine Straße nach ihm zu benennen. Der südliche Teil der Wilhelmstraße zwischen Marienstraße und Katharinenstraße, in dem sich die Synagoge und das Gemeindezentrum der Jüdischen Gemeinde befinden, trägt von nun an den Namen des Rabbiners. Dessen Leben und Wirken sind eng mit der ehemaligen Hauptstadt des Landes Oldenburg verbunden.

Ein Straßenschild am Tag der Straßenumbenennung (aus dem Archiv des Autors)

Leo-Trepp-Straße heute, Blick vom Straßenanfang (Quelle: commons.wikimedia.org)

Eine Gedenktafel zum Gedenken an Rabbi Leo Trepp (Quelle: de.findagrave.com/memorial)

„Wer Leo Trepp kannte, weiß, dass Oldenburg ohne ihn ein anderer Ort gewesen wäre“, sagte der damalige Oberbürgermeister Gerd Schwandner in seiner Begrüßungsrede bei der Zeremonie zur Benennung der Straße nach Rabbi Trepp. „Jetzt verbindet der Straßenname gewissermaßen das Ensemble rund um die Synagoge und das Gemeindezentrum …“ Die Stadt kann stolz auf ihre jüdische Gemeinde und die von ihr ausgehende Kraft der Integration sein. Die Umbenennung der Straße ist Ausdruck dessen. Genau diese Straße wurde im Zusammenhang mit Leo Trepps Tätigkeit in Oldenburg umbenannt, um all jene, die das Kulturzentrum PFL oder die Synagoge besuchen, an ihn zu erinnern. Bemerkenswert ist auch, dass die Leo-Trepp-Straße die einzige Straße in Deutschland ist, die den Namen eines Rabbiners trägt und an der sich eine Synagoge befindet. An der Umbenennungszeremonie nahmen der Landesrabbiner von Niedersachsen, Jona Sievers, Gunda Trepp, die Witwe von Leo Trepp, sowie sein Enkel David Grünberg und andere teil.

Anlässlich der Feierlichkeiten zum 25-jährigen Jubiläum der Wiedergründung der Gemeinde wurde am 13. August 2017 ein Denkmal zu Ehren von Prof. Dr. Leo Trepp enthüllt. An der Einweihungsfeier nahm seine Witwe Gunda Trepp teil. Nach einer kurzen Ansprache des Oberbürgermeisters Jürgen Krogmann wurde die Abdeckung entfernt und den Anwesenden wurde eine kleine Bronzebüste präsentiert. Sie wurde von der Bildhauerin Renata Deterts-Ackerman geschaffen und stellt Rabbi Leo Trepp so dar, wie er in den letzten Jahren seines Lebens aussah und wie er in Erinnerung geblieben ist. Anschließend machten Korrespondenten verschiedener Medien ein symbolisches Foto: Die drei amtierenden und ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt – Jürgen Krogmann (seit 2014), Dieter Holtsapfel (1991–1996) und Gerd Schwandner (2006–2014) –, Rabbinerin Alina Treiger und Gemeindevorsitzender Yehuda Weltermann ließen sich neben der Büste von Leo Trepp fotografieren.

Ein symbolisches Foto am Leo-Trepp-Denkmal, 13. August 2017 (Quelle: juedische-allgemeine.de)

Bronzebüste zu Ehren von Leo Trepp (aus dem Archiv des Autors)

In der nach dem Ehrenbürger Oldenburgs, Prof. Leo Trepp, benannten Straße neben der Synagoge wurde eine Bronzebüste von ihm aufgestellt. Sie erinnert Einwohner und Gäste der Stadt an den herausragenden Beitrag, den dieser Mann zur Entwicklung des jüdischen Lebens in Oldenburg geleistet hat.

Die Toponymik Oldenburgs spiegelt die dankbare Erinnerung der Einwohner an ihre herausragenden Mitbürger jüdischer Herkunft wider. Gleichzeitig zeigt sie das lebendige Interesse der Stadt an der Gestaltung dieser Straßen und ihrer Umgebung. Die Oldenburger Behörden, vertreten durch den Stadtrat und Oberbürgermeister Jürgen Krogmann, unterstützen dieses Anliegen und integrieren es in das moderne Stadtleben.

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Die Geschichte weiterer toponymischer Objekte in Oldenburg, die die Erinnerung an berühmte Juden wachhalten, wird in den folgenden Aufsätzen dieser Reihe fortgesetzt.

Autor: Yakub Zair-Bek
Es wurden Fotos aus offenen Quellen, aus dem Archiv des Autors und von @DerShlikh-DerBote verwendet.