Jüdische Motive in den Werken des Künstlers Groschev



Wjatscheslav Groschev, „Selbstporträt“
Wjatscheslav Groschew, „Selbstporträt“

Der Künstler Wjatscheslav Groschew ist im Westen viel bekannter als in Russland, wo er geboren wurde. Das ist auch nicht überraschend, denn er emigrierte vor langer Zeit nach Kanada, wo er jetzt lebt und arbeitet. Dort kennt man ihn unter dem Namen Slava Groshev. Daher kann man ihn ohne große Übertreibung als russisch-kanadischen Künstler aus Montreal bezeichnen, wo er seit 2001 lebt. Interessant ist, dass Wjatscheslav bereits über dreißig war, als er anfing, sich professionell der Malerei zu widmen. Heute schmücken seine Gemälde private Sammlungen nicht nur in Kanada, sondern auch in den USA, in Europa und sogar im fernen Australien.

In einem seiner Interviews erzählte der Künstler: „Vor einigen Jahren, als ich in Montreal lebte, begann ich, Bilder zu malen. Ich wusste immer, dass ich das kann, aber ich hatte weder die Zeit noch die Möglichkeit. So begann ich zu malen: zehn Stunden am Tag, sechs Tage die Woche. Ich bin überzeugt: Kunst ist vor allem harte Arbeit. Natürlich wurde ich in den Grundlagen der Malerei, des Zeichnens, der Komposition usw. ausgebildet, zuerst in der Kunstschule und dann ein paar Jahre bei Lehrern der ‚Stroganowka‘.“

Wjatscheslav Groschew arbeitet sehr viel, erfolgreich und äußerst produktiv und schafft auf Leinwand realistische Gemälde, die vor allem schönen Frauen verschiedenen Alters gewidmet sind – von kleinen Mädchen bis hin zu reifen Frauen. In jedem seiner Werke zeigt sich die Vision des Autors, seine Beziehung zu den Figuren seiner Bilder und deren Charakter. Einige Kritiker bezeichnen Groschews künstlerischen Stil als Hyperrealismus oder sogar als „Fotorealismus“. Tatsächlich ist man beim Betrachten seiner Werke von der erstaunlichen Genauigkeit der Detailausarbeitung und den fast unsichtbaren Pinselstrichen beeindruckt. Gleichzeitig entsteht der Eindruck von Leichtigkeit, Eleganz und Schönheit. Dies betrifft praktisch alle Bilder des talentierten Künstlers, sei es Porträts von Kindern und Erwachsenen oder Darstellungen schöner Frauen im Stil des Aktes.

Die frischen, leuchtenden und sehr eleganten Werke von Wjatscheslav Groschew sehen so realistisch aus, dass dem Betrachter der Eindruck entstehen könnte, der Künstler habe für ihre Erstellung einfach digitale Fotografie verwendet. Tatsächlich ist dem jedoch keineswegs so: Alle Gemälde von Groschew sind mit herkömmlichen „altmodischen“ Pinseln gemalt. Bevor er seine unglaublich realistischen Porträts schafft, überlegt sich der Künstler zunächst sein zukünftiges Bild und stellt sich vor, was er auf der Leinwand sehen möchte. Dann sucht er ein passendes Modell, wählt ein Kostüm für sie aus und bestimmt einen malerischen Hintergrund für das gesamte Bild. Anschließend zeichnet Groschew auf der Leinwand eine Skizze des zukünftigen Bildes und einige Details, bevor er das Modell in sein Atelier einlädt, um direkt vom Leben die wichtigsten Teile des Porträts – Gesicht und Hände – auszuarbeiten. Übrigens behauptet der Meister, dass keine, noch so perfekte Fotografie jemals die wirkliche Hautfarbe wiedergibt. Und obwohl eine gewisse „Fotografizität“ der vom Autor dargestellten Figuren vorhanden ist, handelt es sich dabei nicht mehr als um ein künstlerisches Mittel, eine Technik der Bildausführung.

W. Groschev, „Er tanzt mit einem anderen …“, 2009
W. Groschev, „Er tanzt mit einem anderen …“, 2009

Wjatscheslav Groschew arbeitet nicht nur im Porträtgenre, seiner Pinselkunst gehören auch wunderschöne Landschaften, Stillleben sowie Gemälde zu historischen und biblischen Themen.

Ein besonderer Platz in seinem Schaffen ist den jüdischen Motiven gewidmet, zu denen man mit vollem Recht auch die Gemälde zu biblischen Themen zählen kann. Zu diesem Zyklus von Wjatscheslav Groschews Werken gehören insbesondere zwei Gemälde zu Themen aus der Heiligen Schrift – über die Stammväter des jüdischen Volkes Abraham und Isaak sowie die Stammmutter Sarah. Auf einem dieser Gemälde sieht der Betrachter die nicht mehr junge Sarah mit ihrem lang ersehnten Sohn Isaak, der auf ihrem Schoß sitzt. Sie drückt ihn zärtlich an ihre Brust, und ihr Blick, der auf ihren Sohn gerichtet ist, strahlt Glück, Liebe und Hingabe aus. Ein anderes Gemälde hält die dramatische Szene des Abschieds von Abraham mit seinem einzigen und geliebten Sohn Isaak fest, bevor er ihn dem Allmächtigen als Opfer darbringen sollte, der Abrahams Treue prüfen und ihn somit einer schweren Prüfung unterziehen wollte. Ich denke, dass dieses Bild von Groschew niemanden gleichgültig lässt. Ein weiteres Werk des Künstlers zu einem biblischen Thema widmet sich dem Moment, als der Prophet Mose nach vierzig Tagen auf dem Berg Sinai mit den Tafeln in den Händen herabstieg, auf denen der Allmächtige die zehn Gebote eingraviert hatte. Die Details des Gemäldes entsprechen der biblischen Beschreibung dieses Ereignisses: der von dichtem Rauch umhüllte Sinai, die bebende Erde, donnernde Blitze und inmitten des tobenden Sturms ertönt die Stimme Moses, der zu den Söhnen Israels spricht. Alle biblischen Gemälde von Wjatscheslaw Groschew sind voller Pathos und Ehrfurcht und beeindrucken durch ihre einfühlsame Berührung der Jahrtausende alten jüdischen Geschichte.

Ein wenig anders stellt der Künstler seine Helden in Porträts ganz gewöhnlicher Juden, einfacher Menschen „aus dem Volk“ dar. Auf vielen dieser Bilder zeigt Groschew sie beim Lesen des Talmuds oder anderer Bücher, womit er unterstreicht, dass Juden nicht umsonst als „Volk des Buches“ bezeichnet werden. In diesem Zusammenhang ist das Gemälde „Der Sohn des Rabbiners“ besonders bemerkenswert, auf dem ein Junge in traditioneller Kippa und einem Hemd mit Zizit dargestellt ist, der völlig in das Lesen eines religiösen Buches vertieft ist. Es scheint, als ob seine kindlich geschwollenen Lippen die Worte auf altem Hebräisch flüstern. Auf dem Bild „Tagesgebet“ hat der Künstler einen älteren Juden im Tallit mit einem Gebetbuch – dem Siddur – in der Hand dargestellt, der während des Gebets am Fenster steht. Er hat die Augen geschlossen, ist völlig in das Gebet vertieft und spricht zum Allmächtigen… Die Komposition des Gemäldes „Jakob“ ist anders gestaltet. Ein Junge von sechs oder sieben Jahren mit dem biblischen Namen Jakob ist vermutlich beim Gebet in der Synagoge. Er sitzt an den Arm seines Vaters gelehnt, an dem die Tefillin gebunden sind, und denkt über etwas Eigenes nach, während sein Gebetbuch geschlossen ist und er zur Seite blickt. Der Künstler hat ein wunderschönes psychologisches Porträt eines Jungen geschaffen, der erst seine ersten Schritte auf dem Weg zur Erkenntnis des Judentums macht. Voller Lyrik und Reinheit ist das Porträt eines jüdischen Mädchens mit einer Rose in der Hand. Ihre Lippen zeigen ein leichtes Lächeln, und sie denkt an etwas Angenehmes und Freudiges. Wir haben nur über einen kleinen Teil der Werke von Wjatscheslav Groschew zu jüdischen Themen gesprochen. Doch schon diese Gemälde zeigen, dass sie nicht nur technisch perfekt sind, sondern zugleich das Leben in seinen verschiedenen Erscheinungsformen darstellen.

Der Künstler schafft reine, schöne und in gewissem Maße romantische Werke, die voller Liebe zu den von ihm dargestellten Figuren sind. Der scharfe Blick des Malers erfasst die persönlichen Qualitäten der Menschen, wobei er bemüht ist, die wechselnden Regungen der menschlichen Seele einzufangen und in seinen Werken wiederzugeben. Das lyrische Element und die psychologische Authentizität sind charakteristische Merkmale der Werke des zweifellos talentierten Künstlers Wjatscheslav Groschew.

Abraham und Isaak
König David
Moses am Meeresufer
Porträt
Rebbe
Ruth
Ruth
Sarah
Kopfskizze
Salomos Hof

Slava Groshev (Künstlername von Wjatscheslav Groschew): Werke des Künstlers aus verschiedenen Jahren

Autor: Yakub Zair-Bek (Illustrationen zu den Gemälden des Künstlers artrussia.ru)