„Lebensanschauung und Zukunftsblick sind von der Vergangenheit geformt“



Das kleine jüdische Volk hat sich über 2000 Jahre der Diaspora hinweg ohne eigenen Staat nur dank der Erinnerung und Einhaltung seiner religiösen und kulturellen Traditionen erhalten. Dabei spielten nicht nur die von unseren Vorfahren in den heiligen Schriften beschriebenen Traditionen eine wichtige Rolle, sondern auch die konkreten Traditionen kleiner Diasporagemeinden, die es den Menschen vor Ort ermöglichten, zusammenzuhalten und jeder Bedrohung gemeinsam zu trotzen. Oft befanden sich jüdische Gemeindem über viele Jahrhunderte hinweg in feindseliger Umgebung, unabhängig vom Land, in dem sie lebten. Diese Feindseligkeit wechselte in dieser Zeitspanne häufig von milder auf Alltagsniveau bis hin zu aggressiver und tödlicher auf staatlicher Ebene, sowohl in ethnischer als auch in religiöser Hinsicht. In der modernen Welt hat diese Feindseligkeit nach der Gründung des Staates Israel ganz andere Nuancen. Doch ich möchte jetzt nicht weiter auf die Geschichte des Antisemitismus eingehen.

Am Beispiel der jüdischen Gemeinden im Herzogtum Oldenburg und später im Freistaat Oldenburg, heute die Stadt Oldenburg im Bundesland Niedersachsen in Deutschland, deren Geschichte etwa 200 Jahre zurückreicht, möchte ich zeigen, wie wichtig die Traditionen einer kleinen jüdischen Gemeinde für deren Erhalt sind. Hier sind einige offizielle Statistiken: Im Jahr 1855 lebten in dieser Region 740 Juden, 1895 waren es bereits 855 und schließlich 1925 erreichte diese Zahl 1015 Personen.

Nach der Katastrophe (Shoah) gelang es erst 1992, die jüdische Gemeinde in Oldenburg in sicherem Umfang wiederzubeleben. Der Versuch, die Gemeinde nach 1945 neu zu gründen, scheiterte Ende der 1960er Jahre aufgrund fehlender Mitglieder. Seit der Gründung im Jahr 1992 sind nun bereits 32 Jahre vergangen. Angesichts der historischen Gegebenheiten ist das eine sehr lange Zeit für eine jüdische Gemeinde. In dieser Zeit ist innerhalb der Gemeinde sogar eine ganze Generation von Kindern herangewachsen, deren Eltern am Wiederaufbau der Gemeinde beteiligt waren. Für diese Kinder ist die Gemeinde nicht nur ein bedeutsamer Ort der Zugehörigkeit zum vielgeplagten jüdischen Volk geworden, sondern auch ein echtes Zuhause. Die Einhaltung kleiner Traditionen in der kleinen Gemeinde hat es uns allen ermöglicht, ein solches gemeinsames Zuhause zu haben.

Gegenwärtig zählt die Jüdische Gemeinde Oldenburg etwas mehr als 300 Mitglieder.

Im Titel dieses kleinen Artikels steht ein Zitat des letzten Oldenburger Rabbiners vor der Shoa, Prof. Dr. Dr. Leo Trepp. Er führte seinen ersten Seder als Rabbiner 1936 in Oldenburg durch. „Lebensanschauung und Zukunftsblick sind von der Vergangenheit geformt“, schrieb er in seinem Buch „Die Landesgemeinde der Juden in Oldenburg (1827-1938)“.


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Rückblick in die 1990er

Um weiter in die Zukunft zu schauen, hat es manchmal auch Sinn, einen Schritt zurückzugehen und einen Rückblick in die Vergangenheit zu machen.

Autor: Pavel Goldvarg (Fotos aus dem Archiv des Autors und @Isensee Verlag)